BFH zu: Telefoninterviewer als Arbeitnehmer

In der beständig aktuellen Problematik der Abgrenung von selbständiger Tätigkeit zur Arbeitnehmertätigkeit war in dem BFH-Urteil VI R 77/12 vom 18.06.2015 der Fall eines Markt- und Meinungsforschungsinstituts zu klären, das für die Erhebung seiner Daten Telefoninterviewer beschäftigte und entgegen der Auffassung der Finanzbehörde davon ausgingen, diese seien selbständig tätig.

Leitsätze: 1. Die Frage, ob eine Tätigkeit selbständig oder nicht selbständig ausgeübt wird, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. In diese Gesamtwürdigung ist auch einzubeziehen, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet worden ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind (Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung ...). 2. Diese Gesamtwürdigung ist als eine im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Allerdings ist die Gesamtwürdigung materiell-rechtlich fehlerhaft, wenn die Tatsacheninstanz die maßgeblichen Umstände nicht vollständig oder ihrer Bedeutung entsprechend in ihre Überzeugungsbildung einbezieht.

Vor diesem Hintergrund hob der BFH die Entscheidung des FG Köln als Vorinstanz auf und verwies den Fall an dieses zurück, da er dessen Gesamtwürdigung der Verhältnisse für materiell-rechtlich fehlerhaft hielt. Gegen eine materiell-rechtlich fehlerfreie Gesamtwürdigung sprachen insbesondere folgende Gründe:

Das FG hat ein Unternehmerrisiko der Interviewer damit verneint, daß die Klägerin faktisch ein begrenzt variables Stundenhonorar vereinbart habe. Diese Würdigung verkenne nach Auffassung des BFH indessen bereits, daß Stundenhonorare auch im Rahmen von selbständigen und gewerblichen Tätigkeiten durchaus üblich seien.

Nicht nachvollziehbar war für den BFH die Würdigung des FG, ein möglicher Honorarausfall bei Abbruck eines Interviews stelle kein Unternehmerrisiko dar.

Das FG habe fehlerhaft nicht berücksichtigt, daß dem Interviewer im Falle von Urlaub oder Krankheit kein Anspruch auf Honorarzahlung für die dadurch ausgefallene Arbeitszeit zustand, dies sei jedoch ein typisches Merkmal selbständiger Betätigung.

Für eine Arbeitnehmertätigkeit spreche auch nicht, daß die Interviewer nach den vertraglichen Vereinbarungen nur im Rahmen einer Nebentätigkeit arbeiten sollten.

Ebenso sei die Nichtgewährung von Sozialleistungen, insbesondere die Nichtgewährung von Lohnfortzahlungen im Urlaubs- und im Krankheitsfall gerade kein Merkmal für eine Arbeitnehmertätigkeit.

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