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Der Klimawandel und die Wissenschaft - eine Mesalliance?

Vertrauensvorschuß für "die Wissenschaft"?

 

Auch Wissenschaftler der "ehrwürdigen Leopoldina" sind nicht davor gefeit, Aufmerksamkeit mit Leerformeln erzielen zu wollen, sie sind sich sicher: "Ein wirksamer CO2-Preis wird einen früheren Kohleausstieg wahrscheinlich machen". Diese Schlußfolgerung steht am Ende einer Ad-hoc-Erklärung, in welcher zuvor im Habitus verzweifelter Ungeduld konsequentes , transparentes und zügiges Handeln von Politik und Wirtschaft in einem nachdrücklichen und unmittelbaren Transformationsschub gefordert wurde (s. FAZ vom 24.07.2019, Mit der Hitze ins Gefecht). "Das längst Überfällige zu tun", ist das Gebot. Nur: "das längst Überfällige", was ist das? Empörtheit zu zeigen? 

 

Mit einer ähnlichen Feststellung meldete sich am 14.07.2019 Konrad Schuller in der FAS zu Wort: "Es gibt ein Totschlagargument gegen eine wirksame deutsche Klimapolitik ...". In der Tat: Warum sollte ein vernünftiger Mensch auch etwas gegen eine wirksame Klimapolitik oder eine wirksame CO2-Verbrauchsteuer haben?

Wer so formuliert, unterstellt die Wirksamkeit der geforderten Maßnahme von vornherein in seiner Forderung und enthebt sich damit sehr tricky seiner Pflicht, mindestens eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit für den Erfolg der von ihm geforderten Maßnahme zu belegen.  Unsere (nicht nur die deutsche) Wirklichkeit ist aber eine völlig andere: Die Unwirksamkeit aller CO2-Bepreisungen ist mindestens auf mittlere Sicht schlagend belegt (s. Klimasteuer - worauf, von wem und warum?, Deutsche Energiepolitik: erfolglos und interessenwidrig). 

Alle klimapolitisch motivierten Maßnahmen in Deutschland erbrachten 2017 ein Aufkommen von 96 Mrd. EURO (Jahreswert!) - und blieben (gemessen am CO2-Ausstoß) erfolglos, obwohl seit Jahren in gleicher Größenordnung beständig anfallend! Besteht etwa ein wissenschaftliches Konzept darin, von dem Wirkungslosen nur immer mehr zu fordern? Hätten sich die ergriffenen Maßnahmen (eingeschlossen [Zahlen in Mrd. EURO  für 2017] die Verbrauchsteuern auf Mineralölprodukte [41,0] und den Stromverbrauch [6,9], die KFZ-Steuer [9,0],  die EEG-Umlage(n) [24,0] und die Einnahmen aus dem Emissionsrechtehandel [1,2] sowie die Umsatzsteuer [13,9] auf die Energiesteuern) tatsächlich in einer nennenswerten Verringerung der CO2-Emissionen niedergeschlagen, wären heutige Proteste und Mahnungen überflüssig. Aber die Lenkungswirkung aller genannten Steuern wird allein schon deswegen nicht erzielt, weil Umstiegsmöglichkeiten auf eine nicht mit Steuern belastete adäquate Alternative nahezu vollständig fehlen. Kenntnisse über die Nachfragefunktionen oder die Nachfrageelastizitäten bezüglich der besteuerten Verbrauchsgüter? - erst recht Fehlanzeige. Und bezüglich der erneuerbaren Energien hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wegen zu hoher Kosten und mangelnder Versorgungssicherheit jüngst empfohlen, das EEG auslaufen zu lassen. Wer also heute auf die Straße geht (oder als Leopoldina-Wissenschaftler sich an entsprechenden Aufrufen beteiligt), bestätigt die Erfolglosigkeit dessen, was er fordert und offenbart damit eine profunde Unkenntnis dessen, worüber er sich äußert. "Die Wissenschaft" untergräbt ihre Autorität mit solch wohlfeilen "non-meaningful theorems" selbst.

 

Und bei jedem weiteren Versuch, eine Hürde zu nehmen, ziehen die  Bleieinlagen des Atomausstiegs die deutschen Spikes nach unten mit der Auswirkung, daß zur großen Freude der  Konkurrenten das Publikum schreit: "Lauf gefälligst schneller, Du lahmer Sack!". 

Wo und wann warnten eigentlich diese Wissenschaftler, als der durch alles weniger als durch Launen begründete Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und vollzogen wurde, vor dem zwangsläufigen Kippen der CO2-Bilanz? Er vernichtete einen international bedeutenden Forschungs- und Technikzweig, beide auf höchstem Standard befindlich, wahrscheinlich unwiederbringlich. Zur Genugtuung Frankreichs, Tschechiens usw.

Solch schmale Gedanken brauchen daher promotion, die geschieht zweckmäßigerweise durch die Macht des Bildes, wie im diesbezüglichen Artikel der FAZ. Dem setzen wir ein auch schönes Bild entgegen, das das herrliche Glen Coe im schottischen Hochland mit seinen unverkennbaren Vergletscherungsspuren darstellt. Seit ca. 20.000 Jahren zeigt sich das Tal auf Grund einer Erderwärmung um zwischen 3 und 5 Grad Celsius in diesem Gewand und mit einer erstaunlichen Biodiversität.

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Bild: Pixabay, Glen Coe 

 

Die Ursachen des Abschmelzens und des Freilegens dieser Landschaft interessieren die Autorin des von Müller-Jung (FAZ vom 19.07.2019, Die Spürhunde des Klimawandels) so hymnisch vorgestellten Buches nicht: Für Friederike Otto (Wütendes Wetter, Ullstein 2019) ist der Klimawandel eindeutig und unwiderlegbar menschengemacht. Wie sonst könnte sie auch "konkrete Verursacher für Wetterphänomene haftbar machen - Unternehmen, ja ganze Länder ... vor Gericht" bringen wollen (Klappentext, S. 169 ff.). Ihre Methode beinhaltet die Gegenüberstellung aktuell beobachteter/beobachtbarer Wetterphänomene mit den simulierten gleichartigen Wetterphänomenen in einer simulierten Welt, die zwar von Menschen bevölkert ist, jedoch keinerlei Klimagas-Emissionen aufgrund menschlicher Aktivitäten kennt (S. 81, Atemluft-Ausstoß und Methan-Ausstoß sind möglicherweise zugelassen). Ist ein aktuelles Wetterphänomen einem simulierten vergleichbar, besteht kein Grund zur Beunruhigung, ansonsten schon. Dieses Vorgehen nennt sich "Attribution", in der Vorstellung der Autorin löst es die sonst bei der Anwendung statistischer Methoden gegebenen Kausalitätsprobleme. Die Zeit vor Beginn der industriellen Revolution blendet Otto aus, da sie diese als den Beginn der menschlichen Emissionstätigkeit ansieht. Jeder in der realen Welt ab diesem Zeitpunkt in die Atmosphäre entwichene Liter CO2 gilt als anthropogen.

Würde man Otto für die Zeit vor Beginn der industriellen Revolution hinsichtlich der Bedingungen für ihre simulierte Welt  beim Wort nehmen, müßte ihre simulierte Welt noch eine bis über den 50sten Breitengrad (in Mitteleuropa) hinausreichende Eisbedeckung aufweisen, denn die Gründe für den Rückzug des Eisschildes hat sie mit ihrer These von der reinen Anthropogenese der irdischen CO2-Emissionen eliminiert: keine Menschen mit Dampfmaschinen nur Keulen, keine CO2-Emission, keine Erderwärmung. Da ihre Klimamodelle aber offenbar keinen Eisschild dieses Ausmaßes mehr vorsehen, ist ihre These der reinen Anthropogenese  auch nicht belastbar, und die Frage muß erlaubt sein, ob denn tatsächlich alle Einflußfaktoren für den Rückzug des Eisschildes vor 20.000 Jahren ausgestorben sein sollen.

So lassen sich die Ergebnisse des "Paris-Hilton-Events" (S. 69 f.) möglicherweise auch durch Ottos Pipi-Langstrumpf-Zugang zum Problem erklären: "Ich mache mir die Welt, widewidewie sie mir gefällt".

Insgesamt betrachtet ist dies kein wissenschaftliches Buch der "jungen Forscherin", auch kein populärwissenschaftliches, dazu enthält es zu viele Macken (beispielsweise ist die Argumentation auf S. 43 ff. die einer Aktivistin reinsten Wassers und auch nicht im entferntesten wissenschaftlich, insbes. S.49). Müller-Jung hat die Wissenschaftlichkeit des Buches nicht unterstellt, aber auch nicht sonderlich vermißt. Als Mängel hat er fehlende Beschreibungen von "Versuchs"-Anordnungen und Ergebnissen genannt ebenso wie den Verzicht auf "Peer-Review", gleichwohl ist er zu einem uneingeschränkten Vertrauensvorschuß bereit; er sieht die Autorin, die sich und ihre Kolleg*innen gerne Wissenschaftler*innen nennt wohl auf der richtigen Seite.

Es ist ein PR-Buch, das ernst zu nehmende Rückschlüsse auf die Relevanz etwaiger Forschungsergebnisse nicht erlaubt (auch die sonst in Wissenschaftsbüchern üblichen Verweisungen in Fußnoten, in denen Belege und tiefergehende Erläuterungen gefunden werden können, fehlen), aber geeignet ist, den Schulterschluß der Gleichgesinnten zu befördern. Die Akkuratesse der Verwendung von Gendersternchen ist allerdings bemerkenswert.

Sieht so die Wissenschaft aus, für die Müller-Jung (FAZ vom 26.7.2019) Anerkennung, Respekt und Vertrauen einfordert?