f t g m
  • "Volllaststunden" im Windpark-Glossar

  • "Bundesrechnungshof zur Energiewende" in Erneuerbare Energien

  • "Klimasteuer - worauf, von wem und warum?" in Erneuerbare Energien

  • "Grundlastkraftwerk" im Windpark-Glossar

  • "Leistungskoeffizient" im Windpark-Glossar

  • "Rückbau von Windrädern - eine vernachlässigte Aufgabe" in Erneuerbare Energien

Copyright 2024 - Custom text here

Bundesverfassungsgericht zur Generationengerechtigkeit im Klimaschutz

Vom Geist der Gesetze, aber auf der Grundlage welcher Ökonomik?

 

Inhalt

 

Manipulationsanfälligkeit

Abgrenzung von Interessen nach Alterskohorten?

Modellinkonsistenz

Definitions- und Meßdefizite

Liberale Wirtschaftsordnung oder Zentralverwaltungswirtschaft?

Schlußbemerkung

 

Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in den Verfahren 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 (Klimaschutz) über Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutz-gesetz des Deutschen Bundestages vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2513) [KSG]hat einige der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Verfassungsverstößen des Gesetzes bestätigt. Die Fest-stellungen des Gerichts beruhen dabei auf Abwägungen zum Nachteilsausgleich zwischen interessier-ten Personengruppen (hier: Generationen), die die Vornahme oder das Unterlassen bestimmter Maßnahmen von großer ökonomischer Tragweite zum Gegenstand haben. Da das Gericht die in Fra-ge kommenden klimapolitischen Maßnahmen selbst nicht in den Blick nimmt, sondern nur zwischen statistisch ermittelten (zu ermittelnden) Gesamt-Schadstoffemissionen und einer angeblich daraus folgenden Beeinträchtigung von Freiheitsrechten der nachfolgenden Generationen ohne weitere Konkretisierung abwägt, ist ein wenig ökonomischer Gehalt zu ergänzen, denn die Bewertung der Vor- bzw. Nachteile ist mit ökonomischen Mitteln anzugehen.

Wir zitieren aus dem Beschluß (im Text erwähnte Randnummern [RN] beziehen sich auf den Urteilstext):

„Der Gesetzgeber hat … Grundrechte verletzt, weil er keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, die - wegen der gesetzlich bis 2030 zugelassenen Emissionen in späteren Zeiträumen möglicher-weise sehr hohen - Emissionsminderungspflichten grundrechtsschonend zu bewältigen. Insoweit ver-letzen § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 die Beschwerdeführen-den in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 und die Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) in dem Verfahren 1 BvR 2656/18 schon jetzt in ihren Grundrechten“ (RN 182).

„§ 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 sind … insoweit verfassungs-widrig, als sie unverhältnismäßige Gefahren der Beeinträchtigung künftiger grundrechtlicher Freiheit begründen. Weil die in den beiden Vorschriften bis 2030 vorgesehenen Emissionsmengen die nach 2030 unter Wahrung des verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutzes noch verbleibenden Emis-sionsmöglichkeiten erheblich reduzieren, muss der Gesetzgeber zur Gewährleistung eines freiheits-schonenden Übergangs in die Klimaneutralität hinreichende Vorkehrungen treffen“ (RN 183).

Diese Feststellungen leitet das BVerfG aus Art. 20a GG ab, der i. W. eine allgemeine Schutzpflicht des Gesetzgebers für die natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen formuliert. Art. 20a GG steht außerhalb des Grundrechtekatalogs; Verletzung von Grundrechten kann daher unter Berufung auf ihn alleine nicht geltend gemacht werden. Weitere von den oben bezeichneten Beschwerdefüh-rern, bei denen es sich um natürliche Personen des Inlands in teilweise jugendlichem und halber-wachsenem Alter handelt, darüber hinaus persönlich erlittene, ggf. geltend zu machende Grund-rechtsverletzungen sieht das BVerfG nicht als gegeben.

Der Spruch beruht auf der Annahme, das Klimaziel, einen Anstieg Erderwärmung gegenüber der vor-industriellen Zeit, deren Beginn auf um das Jahr 1776 datiert wird, bis zum Jahre 2050 auf etwa zwi-schen 1,8° C und 1,5° C durch Abschmelzen der weltweiten CO2-Emissionen erreichen zu können und zu sollen. Der Abschmelzungsprozeß beläßt den Emittenten die Möglichkeit, ihren CO2-Ausstoß scho-nend zu reduzieren, d. h., einen Emissionspfad festzulegen, der wohlfahrtsverträgliche Umstellun-gen der Produktionsweisen, der Infrastrukturen und der öffentlichen Haushalte gestattet. Es ist die Aufgabe der emittierenden Staaten, diese Emssionspfade festzulegen, indem sie Vorgaben für ein jährlich zu verbrauchendes Budget an Emissionserlaubnissen machen. Mit diesem Budget sollen die heutigen Entscheider nicht nach Belieben zu Lasten der künftig Entscheidenden umgehen dürfen; diesen ist ein auskömmliches Emissionsbudget zu hinterlassen.

Das KSG will dem Rechnung tragen mit einem Beschränkungsziel für CO2-Emissionen in den Jahren 2020 bis 2030 auf insgesamt weniger als 55% der Jahresemission von 1990 (1.051 Megatonnen [Mto]) und der Vorgabe der Emissions-Jahreswerte für einzelne bestimmte Sektoren in absoluten Werten. Die Summe dieser Jahreswerte entspricht etwa 49% des Jahres-Emissionswerts der Basis von 1990 und erreicht damit das selbstgesteckte Ziel. Im Vergleich zu den aus den Paris-Vereinbar-ungen folgenden Emissionsmöglichkeiten für Deutschland (errechnetes Budget von 6.700 Mto) „beansprucht die heutige Generation“ damit einen Anteil von 84,6% der Emissionserlaubnisse (und nicht das Doppelte des Budgets, wie von Beschwerdeführern behauptet). Weiteres zur Erreichung des Emissionsziels von „Null“ im Jahre 2045 enthält das Gesetz nicht.

Das BVerfG beanstandet diese Festlegungen als solche insoweit, als ihre Höhe möglicherweise in dem Zeitraum nach 2030 in einem Ausmaß Emissionsminderungen erfordern könnten, die nicht grund-rechtsschonend zu bewältigen wären bzw. weil sie unverhältnismäßige Gefahren der Beeinträchti-gung künftiger grundrechtlicher Freiheit begründeten. Gegen diese Gefährdungen hätte der Gesetz-geber Vorkehrungen treffen müssen, Vorkehrungen, die unter Wahrung des verfassungsrechtlich ge-botenen Klimaschutzes noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Das BVerfG übernimmt mit diesen Feststellungen die Argumentation der Beschwerdeführer (soweit diese aus dem Urteilstext erkennbar ist, s. dazu im Verfahren 2656/18 RN 39 – 46; Verfahren 288/20 RN 60 – 66; Verfahren 96/20 RN 71 – 74; Verfahren 78/20 RN 78 – 84), das Urteil läßt kein Aufklä-rungsbegehren des BVergG über konkrete Tatbestandsfeststellungen erkennen, die eine Verletzung der Freiheitsrechte der folgenden Generationen belegen könnten. Auch die Entgegnungen des Deut-schen Bundestages und der Bundesregierung versuchen keine Widerlegung dieser Behauptung unter Bezugnahme auf Emissionsfestlegungen gem. Anlage 2 zu § 3 und § 4 KSG (s. dazu w. Bundestag: Ver-fahren 2656/18 RN 47 – 53, Verfahren 288/20 RN 67 f.; Verfahren69/20 RN 75 f., Verfahren 78/20 RN 85 – 88 und w. Bundesregierung: Verfahren 2656/18 RN 55 – 58, Verfahren 288/20 RN 67 – 70, Ver-fahren 96/20 RN 77, verfahren 78/20 RN 89). Ohne daß einerseits die Maßnahmen des Gegners der Beschwerde benannt sind, die im Rahmen des tolerierten Emissionsbudgets nicht vermieden und kei-ne Gründe dafür benannt werden, warum dies im Rahmen der Generationenabfolge z. B. aus techno-lolgischen Gründen sinnvoll oder unabdingbar ist, kann auch kein Beschwerdeführer eine Übermaß-belastung für sich begründen und ein BVerfG in dieser Frage nicht urteilen. Gleichwohl geriert sich das BVerfG als ein Landgericht, das in einem Abfindungsstreit zwischen weichendem und verbleiben-dem Gesellschafter zu entscheiden hat, einem Streit, in welchem die Parteien üblicherweise genau derartige Details offenzulegen haben.

Es ist daher davon auszugehen, daß weder Beschwerdeführer noch BVerfG eine Vorstellung darüber hatten, welcher Art und welchen Umfangs die für die Emissionen gem. Anlage 2 verantwortlichen Maßnahmen waren und ggf. welche vermiedenen Aktivitäten mit Emissionsverursachung bereits die Aufstellung gar nicht mehr belasten. Es ist darüber hinaus davon auszugehen, daß dem BVerfG auch nicht der „Brutto“-CO2-Ausstoß (wenn wir den CO2-Ausstoß gem. Anlage 2 als den nach Minderungs-aktivitäten wie denjenigen über den europäischen Emissionsrechtehandel verbleibenden als „Netto“-CO2-Ausstoß bezeichnen) bekannt ist. Die Differenz zwischen beiden, das „Tara“, ist jedenfalls Ergeb-nis von Vermeidungstätigkeit zugunsten künftiger Generationen, die den „Belastungen“, wie sie Tab. 2 angeblich enthält, gegenüberzustellen ist. Als solche wären aber zweifellos zu berücksichtigen ge-wesen, z. B. sämtliche Kraftwerksstillegungen des Zeitraums bis 2030, die sich als Erhöhung des Freiheitsspielraums der ab 2031 wirtschaftenden Generationen gemäß dem Vorgehen des BVerfG niederschlagen müssen, wenn das BVerfG seiner eigenen Logik des Generationengerechtigkeitsge-dankens konsequent gefolgt wäre. Im übrigen vernachlässigt das BVerfG, daß Freiheitsrechte nach-folgender Generationen auch durch die Festlegung der Vorgängergeneration auf eine bestimmte CO2-Vermeidungstechnologie beschnitten werden; ärgerlich, wenn dann bessere und billigere Me-thoden erst nachträglich bekannt werden.

Zum Inhaltsverzeichnis

 

Manipulationsanfälligkeit

Der Gedanke der Generationengerechtigkeit ist den Plakatierungen der Aktivisten entnommen und (nicht nur deshalb) Unsinn:Es wird immer wieder betont, Tatsache und Ausmaß der Klimabedrohung sowie die Notwendigkeit einer Beschränkung der Erderwärmung auf 1,8° C (lieber noch 1,5° C) des vorindustriellen Niveaus seien wissenschaftlich belegt. Der allgemeine bei Verfolg der einschlägigen Erörterungen zu gewin-nende Eindruck widerspricht dieser These auch nicht. An Kausalitätsbehauptungen sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, die über das für Feststellungen von Koinzidenzen und Korrelationen genü-gende Maß deutlich hinausgehen, denn ohne Aufklärung des Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs keine Kausalität, also auch keine Verantwortlichkeit.

Der wissenschaftliche Beitrag zur Lösung dieser Problemstellung liegt darin, was die Bedrohung an-geht, Wettererscheinungen aufzuzeichnen und mit Emissionsstatistiken in Verbindung zu bringen mit dem Ziel, künftige Ereignisse, möglichst temporal und lokal nach Art und Schwere vorhersagen zu können. Dies gelingt zur Zeit noch nicht auf der Grundlage von Kausalitätsbeziehungen, sondern von Zeitreihenanalysen. Gegenmaßnahmen mit dem Ziel der Begrenzung der Erderwärmung werden in Simulationsmodellen (integrated assessment models) untersucht, wobei insbesondere das Dynamic Integrated Climate-Economy Model (DICE-Modell) des 2018 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausge-zeichneten William Nordhaus heraussticht. Der Modelltyp liegt den vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) erarbeiteten Temperaturbegrenzungen und auch derjenigen des Potsdam In-stitut für Klimafolgenforschung (PIK) zu Grunde. Wunschergebnis der Modelle ist ein Minderungsziel für die Erderwärmung, das einerseits die für eine bestimmte Wohlfahrt der nachfolgenden Generati-onen erforderliche Umweltqualität sichert, und andererseits den heutigen Generationen dafür nicht ökonomische und soziale Kosten in ungebührlicher Höhe aufbürdet.

Nun hat Nordhaus 2018 mit seinem Modell errechnet, daß es unter Ansehung der dazu erforderli-chen gegenwärtigen Aufwendungen „suboptimal“ sei, eine Minderung der Erderwärmung von unter 3,5° C anzustreben, und zwar bis zum Jahr 2100 (und nicht 2050 wie dies 2015 in Paris festgelegt worden war). Das lief dem weltweiten Klimaschutzwillen zuwider. Es kam daraufhin zu einem Zusam-menwirken eines Teams von Forschern aus Deutschland, Schweden, Norwegen und Großbritannien, das verschiedene Einflußgrößen und Berechnungsweisen des Modells veränderte. Die Rechtfertigung dafür lieferte ein angeblich nicht der aktuellen Klimaforschung entsprechender Stand der  Nordhaus-Module. Diese Kritikpunkte sollten insbesondere die Simulation des CO2-Kreislaufs und die Berech-nung des durch den Klimawandel verursachten Schadens betroffen haben. Die die zeitlichen Un-ter-schiede im Anfall von Nutzungen und Lasten der Klimapolitik einebnenden, damit den intertempo-ralen Wohlfahrtstransfer zwischen den Generationen bestimmenden, Abzinsungsfaktoren (social dis-count rates) haben die Forscher nach Befragung von 173 Expertinnen und Experten durch einen Me-dian, aus deren Meinungen gebildet, ersetzt. Nachdem diese und andere Parameter aktualisiert wor-den waren, zeige das DICE-Modell nun, daß die in der ökonomischen Abwägung der sozialen Kosten optimale Erderwärmung bis 2100 ungefähr zwischen 1,5° C und 1,8° C liegen sollte, also mit den Pari-ser Klimazielen kompatibel sei (vgl. Hänsel, Martin C.; Drupp, Moritz A., Johansson Daniel J. A., Nesje, Frikk, Azar, Christian, Freeman, Mark C., Groom, Ben and Sterner, Thomas: Climate economics sup-port fort he UN climate targets. In: nature climate change, publ.13. July 2020; htpps://doi.org/10.1038/s41558-20-0833-x). Initiator, Finanzier und Koordinator dieser Korrekturen bleiben in den Veröffentlichungen dieser Korrekturen  anonym.

Die integrated assessment models liefern Belege bewunderungswürdiger Beherrschung der mathe-matischen Instrumente; nach ökonomischen Theoriekriterien leben sie jedoch von Prämissen, die die Wirklichkeit nicht beschreiben oder die deswegen gesetzt werden, damit der Rechner überhaupt ein deutbares Ergebnis ausspucken kann. Die Ergebnisabweichung zwischen der Nordhaus-Berechnung und dem Pariser Klimaziel spricht für sich: Die Korrekturen haben das Nordhaus-Ergebnis etwa um die Hälfte gedrückt. Diese Modellkritik will das BVerfG sich nicht zu eigen machen, denn für das BVerfG ist ja die Pariser Klimaschutzvereinbarung die Meßlatte für die Emissionsfestschreibungen gem. Anlage 2 zu §§ 3 und 4 KSG.

Bei dieser Sachlage hätte das BVerfG aber zur Kenntnis haben oder nehmen müssen davon, daß das DICE-Modell rechnerisch auch einen intertemporalen Wohlfahrtsausgleich zwischen den Generatio-nen erbringt, und es hätte fragen müssen, ob der Deutsche Bundestag oder die Bundesregierung mit dem völkerrechtlich bindenden Beitritt zum Pariser Klimaschutzabkommen nicht schon die Verfas-sungsverpflichtung des Art. 20a GG erbringt (was im übrigen auch beide Beschwerdegegner hätten vorbringen können, aber nicht taten). So aber läuft Deutschland Gefahr, u. U. zwei unterschiedliche Normen erfüllen oder im Vergleich zu anderen europäischen Staaten aus seiner deutschen Verfas-sungsverantwortung wieder einmal übererfüllen zu müssen.

Zum Inhaltsverzeichnis

 

Abgrenzung von Interessen nach Alterskohorten?

Den Wirtschaftswissenschaften ist oft genug nachgesagt worden, dem Menschenbild des ausschließ-lich rational Wirtschaftenden zu huldigen. Zu keiner Zeit trafen diese Vorwürfe zu; das muß ein Öko-nom heute nicht mehr entschuldigend für sich ins Feld führen oder beweisen, denn andere, dazu be-rufenere Wissenschaften haben bereits letztgültig verlautbart, daß der Mensch anders sei: er sei kei-nesfalls ein allein rational wirtschaftendes Wesen. Gleichwohl fällt das BVerfG auf das Konstrukt ei-nes Konflikts zwischen den heute aufgrund ihrer Rationalität die Natur ausbeuterisch traktierende nach Gewinn strebende Generation und einer in Beschaulichkeit der Natur nur das entnehmen wol-lenden Generation, was jene freiwillig zu geben bereit ist, herein. Im Lichte der öffentlichen Diskus-sion wird dieser Begriff inzwischen ausschließlich als sehr unmißverständliche Forderung von Jünge-ren an Ältere verstanden, die es bedingungslos zu erfüllen gilt, weil der Mangel an Generationenge-rechtigkeit offenbar ist und der Glaube an ihn mit Argumenten nicht erschüttert werden kann. Das hat viel mit „sozialer Gerechtigkeit“ oder „Armut in Deutschland“ gemein, und das BVerfG wird es vielleicht einmal schwer haben, sich als Mediator zu zeigen, wenn der Druck im Kessel steigt.

Eine Interessenabwägung entlang der Trennungslinien zwischen Alterskohorten vornehmen zu wol-len, ist unsinnig. Die Unterwerfung unter die täglichen Beschränkungen z. B. bei der unausweichli-chen Nutzung des eigenen PKW auf dem Weg zur Arbeit und der Wunsch nach Bewegung in frischer Luft sind gleichzeitig in den Menschen vorhanden und schlagen nach Vollendung des 45. Geburtstags auch nicht um. Im übrigen weiß ein jeder die Vorteile einer Infrastruktur zu schätzen, die die Ausbeu-tergeneration mit ihren Mitteln geschaffen hat, wenn er auf die Welt kommt (Kitas, Schulen, Univer-sitäten, Krankenhäuser, Sportstätten, Konzertsäle u. s. w.). Auch die Ölpreiserhöhungen zu Beginn und zum Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden durchaus von der Gesamtbevölke-rung als Bedrohung der Wohlfahrt wahrgenommen, ein Hinweis darauf, über welchen langen Zeit-raum hinweg in der Bundesrepublik Deutschland von einem Interessengleichlauf der Generationen in dieser Frage gesprochen werden muß. Für seine Argumentation müßte das BVerfG daher ein Datum benennen können, ab dem nicht mehr von einem Interessengleichlauf ausgegangen werden kann.

Zum Inhaltsverzeichnis

 

Modellinkonsistenz

Unterschiedliche Schutzinteressen und Verantwortlichkeiten der Generationen zu unterstellen wider-sprechen zudem die fehlenden Zurechnungsmöglichkeiten von Verantwortung auf Generationen: er-stens wegen des bereits erwähnten Interessengleichlaufs und zweitens wegen des Umstands, daß das Hauptproblem der CO2-Belastung nicht in den Jahresemissionen liegt, sondern im Bestand der bereits seit den Tagen der Schöpfung in der Atmosphäre befindlichen Schadgase (vgl. Edenhofer, Ott-mar; Kalkuhl, Matthias, Das „grüne Paradoxon“ – Menetekel oder Prognose? Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, o. D., S. 13).

Das entscheidende Manko des vom BVerfG für richtig gehaltenen Ausgleichs ist aber sein Mangel an innerer Logik und Methode. Dieser Mangel verhindert begründete Maßnahmen des Gesetzgebers und gleichzeitig auch das Fehlen der Maßstäbe, nach denen das BVerfG die Einhaltung der Generatio-nengerechtigkeit auch in Zukunft kontrollieren will. Das Mittel der Wahl für UN, IPCC, PIK und andere hierzu ist die Wohlfahtsfunktion eines DICE-Modells, die zu maximieren ist, und zwar für jede derzeit lebende Generation. Eine Wohlfahrtsfunktion einer Volkswirtschaft zeigt die Komponenten dessen, was der Gesamtheit Nutzen oder Schaden stiftet und in welchen Wechselwirkungen diese Kompo-nenten zueinander stehen. Auch die Frage, wie Nutzen oder Schaden definiert wird, ist geregelt, dar-über hinaus enthalten Wohlfahrtsfunktionen eine Zeitkomponente, die social discount rates, die Aus-druck der Zeitpräferenz dieser Gemeinschaft sind. Die Aufgabe des BVerfG verlangt nun, jede wirt-schaftliche Maßnahme mit CO2-Emission, die in den Planungszeitraum einer folgenden Generation hineinreicht, auch nach den dann geltenden Wohlfahrtsmaßstäben zu beurteilen. Diese sind dem Ar-chitekten der Wohlfahrtsfunktion der Vorgängergeneration aber nicht bekannt. Was tun? Sinn hat beschlossen: sie sind ihm doch bekannt und hat in die Wohlfahrtsfunktion der Vorgängergeneration einen entsprechenden Faktor eingebaut (vgl. Sinn, Hans-Werner: Public policies against global war-ming: a supply side approach. In: Int Tax Public Finance [2008] 15, S. 360 – 394, hier S. 368). Ein sol-ches Vorgehen war der Ökonomie bis dato nicht so geläufig, insbesondere nicht der entscheidungs-orientierten Betriebswirtschaftslehre und erinnert an den fußkranken Tausendfüßler beim Arzt. An-dere gehen davon aus, daß derartige Probleme ohnehin nur durch den social planner zu lösen sind, der im DICE-Modell ja schon die social discount rate festzulegen hat. Dieses letztere Vorgehen ist die

favorisierte Lösung all derer, die die Umweltdiskussion ohnehin gerne als Anlaß zum Einstieg in die Zentralverwaltungswirtschaft nähmen. Wer könnte diese Zentralverwaltungsaufgabe auf sich neh-men? Was Leute wollen sollten, das wissen in Deutschland am besten der Ethikrat und der ZDF-Fern-sehrat. Zahlenmäßig erreichen diese Gremien weder getrennt noch zusammen die 173 Fachleute (s. o.), aber sie bieten ein einmaliges Kompromißpotential und Auftragsbeschreibungen lägen auch schon vor.

Zum Inhaltsverzeichnis

 

Definitions- und Meßdefizite

„Yes, but where’s the beef?“ könnte nach all der Theoretisiererei gefragt werden. Das beef liegt, wie immer, in der Praxis. Bei justiziablen Interessenschädigungen geht es meistens um erlittene oder zu-gefügte Beeinträchtigungen von Gesundheit, Leben oder Geld und Gut. In der Klimapolitik ist jeder der Aspekte betroffen, doch, wenn der Sinn von Klimapolitik sein soll, derartige Beeinträchtigungen unter den Generationen gleich zu verteilen (Generationengerechtigkeit!), dann sind einige Kriterien besser geeignet als andere, die Meßlatte für Maßnahmen des Klimaschutzes abzugeben. Das ergibt sich aus dem Umstand, daß der Einzug von Gerechtigkeit nur dort erstrebt werden kann, wo Mangel herrscht und die mit dem Mangel Behafteten das nicht gut finden. Eine in diesem Sinne erfolgreiche Klimapolitik hätte z. B. erreicht, daß die von Epidemiologen genannte Zahl von 8,5 Mio zu früh we-gen Schadstoffbelastlungen in der Luft versterbender Menschen gleichmäßig auf die gerade leben-den Generationen aufgeteilt worden wären. Gleiches gilt hinsichtlich der an Umweltbelastungsfol-gen Erkrankten. Diese Risikoverteilungen zeitlich und regional zu steuern, bedarf des göttlichen Rat-schlusses und könnte gleichwohl nicht befriedigen, denn wünschenswerter als die Gleichverteilung von Krankheit und Tod wäre ja das völlige Zurückdrängen dieser Übel. Regierungen erwarten diesen Ratschluß seit längerem vergeblich. In weiser Selbstbeschränkung hat sich das BVerfG für seinen Ge-nerationenvergleich daher auf im Prinzip leichter zu erfassende Abhängigkeiten zurückgezogen. Für das folgende ist auch zu beachten, daß das BVerfG Generationengerechtigkeit gewahrt sieht nur bei Sicherung der Freiheitsrechte der nachfolgenden Generationen.

Hie ein aus dem DICE-Modell abgeleitetes Budget tolerabler Emissionen bei einer Erderwärmung von bis zu 1,5° C bis zum Jahr 2050 (?), hie eine Bundesrepublik Deutschland mit einer Inanspruchnahme dieses Budgets gem. Anl. 2 zu §§ 3 und 4 KSG. In dieser Situation die Emissionszahlen der gegenwärti-gen Generation mit den möglichen Emissionszahlen der Nachfolgegeneration aufwiegen zu wollen, würde bedeuten, den nachfolgenden Generationen ein Emissionsinteresse zu unterstellen. Das wäre abwegig, denn der Nachfolgegeneration wäre ja am liebsten, sie zählte bereits zu den klimaneutral wirtschaftenden Generationen. Nichtsdestoweniger muß die Nachfolgegeneration aber an einer ten-denziell niedrigen Ausnutzung des Budgets durch die Vorgängergeneration interessiert sein, so argu-mentieren ja auch die Beschwerdeführer z. B. im Verfahren 1 BvR 2656/18 (RN 42), denn nur so kön-nen sie CO2-Vermeidungsstrategien der Vorgängergeneration erhoffen. Eine solche Entscheidungs-regel wäre daher als ambivalent abzulehnen. Leider macht das BVerfG keine Ausführungen zu einer möglichen Konkretisierung und nimmt damit in Kauf, einen Teil der Weltrettung auf die nächste Ge-neration zu verschieben.

Wie oben bereits erwähnt, wären für eine Konkretisierung die Benennung der Maßnahmen zur CO2-Vermeidung der Vorgängergenerationen erforderlich, weil anders nicht abzuleiten ist, was den Nach-folgegenerationen noch zu tun bleibt. Wie hätte die Nachfolgegeneration mit ihr überlassenen Emis-sionsrechten (dem „Budget“) umzugehen? Übt sie diese Emissionsrechte nicht aus, so hätte sie Ver-meidungskosten zu tragen, die sie gerne der Vorgängergeneration angelastet hätte. Nach ihrem Vor-bringen als Beschwerdeführer (s. o.) muß angenommen werden, daß sie diese Emissionsrechte ausü-ben würde, und zwar im Sinne der ihr im Rahmen der Generationengerechtigkeit zugewachsenen Freiheiten. Im Sinne der Umwelt wäre das nicht. Die Suche nach einer befriedigenden Formel ist also noch fortzusetzen.

Damit wird es Zeit, auch die Vorteile in den Blick zu nehmen, die die Vorgängergeneration der Nach-folgergeneration hinterläßt. Wer sich heute über zu wenig bezahlbaren Wohnraum oder Kitas be-schwert, darf sich nicht darüber beklagen, daß das wenigstens Existierende unter Inkaufnahme enor-men Energieverbrauchs bei der Zement- oder der Stahlerzeugung geschaffen wurde. Diese Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen und es wäre zu fragen, welchen Beitrag für die Übernahme der gesam-ten Infrastruktur, die sich ja auch für die Zukunft recht verläßlich angeben läßt, die Nachfolgegenera-tion zu zahlen bereit wäre. Georgescu-Roegen behauptet in seinem Entropie-Konzept zwar, die durch Umwandlung von Bodenschätzen entstandene Entropie sei in einem Zustand der „unavailabilty“, für den Menschen übergegangen, nun gut. Die übrigbleibende für den Menschen „available“ Masse wiegt das allemal auf (vgl. Georgescu-Roegen, Nicholas: The Entropy Law and the Economic Problem. In: From Bioeconomics to Degrowth. Georgescu-Roegens „New Economics“ in eight essays. Routled-ge Studies in Ecological Economics, ed. by Bonaiuti, Mauro. London and New York, 2011, S. 49 – 57). Auch Sinn sieht das realistischerweise so (vgl. Sinn, Hanns-Werner: Public policies against global war-ming, a. a. O., S. 368). Im Raume stehen ebenfalls die von den Vorgängergenerationen erworbenen Ansprüche an die Sozialkassen, die mit einem ungebührlichem Zwang zur Umstrukturierung Gefähr-dungen ausgesetzt sind, und zwar, je mehr diese auf Zuwendungen aus dem Haushalt angewiesen sind, desto eher. Diese Frage lohnte eine Erörterung durch das BVerfG unter dem Blickwinkel der Generationengerechtigkeit. Jedenfalls aber handelt es sich dabei um externe Kosten einer Energie-wende, die zu „internalisieren“ wären.

Zum Inhaltsverzeichnis

 

Liberale Wirtschaftsordnung oder Zentralverwaltungswirtschaft?

Soweit die heutige Ökonomie Fragestellungen der Klimaproblematik aufgreift, tut sie dies aus dem kreislauforientierten Blickwinkel einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise mit gelegentlichen Anleihen bei der Neoklassik zu Optimalitätskriterien des Entscheiderverhaltens. Letzteres geht jedoch nicht so weit, eine ökologische Ökonomie aus dem Zusammenwirken von Einzelwirtschaftsplänen er-klären zu wollen. Das Denken in Gleichgewichtsprozessen, ein seit Walras und Pareto vorwiegender methodischer Ansatz, läßt die Planung und Durchführung von Einzelwirtschaftsprozessen in den Hin-tergrund treten, indem der Gleichgewichtsprozeß nach einfachen Grundregeln der Analysis abläuft (Ausgleich der Grenzraten der Substitution bzw. der Produktion). Daß die dafür notwendigen zahlrei-chen (um das mindeste zu sagen) Rechenschritte allerdings von allen Marktteilnehmern gleichzeitig mit der nötigen Geschwindigkeit und Exaktheit durchgeführt werden könnten, widersprach schon seinerzeit aller Empirie. Mithilfe der Unterstellung modellexterner Hilfe durch einen Agenten konnte das Problem umschifft werden. Dieser Agent war allerdings lediglich ein Dienstleister, der keinerlei Einfluß auf die Formulierung der Handlungsmotive der Marktteilenehmer, denen man nach wie vor Nutzenmaximierung unterstellte, nehmen konnte. Er übte seine Funktion mehr oder weniger im Sin-ne einer Clearing-Stelle aus, wirkte im Verborgenen, und seine Rolle wurde nicht herausragend the-matisiert. Der Inhalt dieser Ökonomie bestand in der Beschreibung eines Gleichgewichtszustands, der erreicht ist, wenn jeder Teilnehmer keine Veranlassung für eine Änderung seiner erreichten Situ-ation sieht; jedes Einzelnen Wohlfahrt ist in dieser Situation die höchstmögliche. Auch mit dem Ein-zug der Spieltheorie zur Erklärung wirtschaftlichen Verhaltens änderte sich an der expliziten Annah-me des nutzenmaximierenden egoistischen homo oeconomicus zunächst nichts (vgl. Neumann, John von: Zur Theorie der Gesellschaftsspiele. In: Mathematische Annalen, 100ster Band [1928], S. 295 – 320, hier S. 295). In der Volkswirtschaftslehre markiert dieser Stand das Ende der Erklärungsversuche wirtschaftlicher Abläufe auf der Grundlage individuellen Gewinnstrebens als Voraussetzung einer li-beralen Wirtschaftsordnung. Auch in der Spieltheorie jedoch versuchten spätere Interpreten unter dem Eindruck einer, auch von außen herangetragenen, Kritik an der Nutzen- bzw. Gewinnmaximie-rungshypothese von dieser, als natürliche Verhaltensweise (fehl-)interpretierten, Maxime abzurük-ken (vgl. z. B. Ockenfels, Axel: Fairneß, Reziprozität und Eigennutz. Tübingen 1999). Zu einer neuen erklärenden oder gar präskriptiven ökonomischen Theorie wirtschaftlicher Abläufe haben diese An-sätze bislang nicht geführt. Vom gleichen Schicksal sind auch weitere Gleichgewichtsansätze in der Volkswirtschaftslehre betroffen.

Die Ökonomie der DICE-Modelle jedoch unterstellt ein gesamtgesellschaftliches Handeln auf Grund einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion (man könnte auch „Nutzenfunktion“ sagen), und hier ist natürlich zu fragen, wer denn eine solche Wohlfahrtsfunktion verfaßt und autorisiert. Diese Frage lockt Schwätzer an wie der Honig die Bären, und zwar vor Allem solche, die gerne an den Zielen mitformulieren wollen. Solche, die die damit ins Spiel kommende Illiberalität der Wirtschaftsordnung mit Sorge betrachten, sind eher selten. Dabei ist dringend vor diesen Tendenzen zu warnen, denn je-de Zielvorgabe von außen an die gedachten Teilnehmer des Modells beschneidet deren Freiheits-spielraum (man lese z. B. Niko Paech, Schumachers Entwurf einer nachhaltigen Ökonomie, zu: Schu-macher, E. F.: Small ist Beautiful – A Study of Economics as if People Mattered. London 2011). Einige wenigstens empfinden ein vorliegendes Lösungsdefizit in dieser Frage als zu offensichtlich, als daß es verschwiegen werden könnte und bezeichnen die Formulierung der gesamtgesellschaftlichen Ziel-funktion als Aufgabe des  „social planner“ (Sinn) oder „Stackelberg leader“ (Eisenack e. a.), damit we-nigstens die Frage der Modellkonsistenz angesprochen wird (vgl. Sinn, Hanns-Werner, Public policies against global warming, a. a. O. S. 395; Eisenack, Klaus; Edenhofer, Ottmar; Kalkuhl, Matthias: Energy taxes, resource taxes and quantity rationing for climate protection. Potsdam Institute for Climate Re-search (PIK), No. 120, S. 8 – 10). Gleichzeitig mit illiberalen Tendenzen verstärken sich die Rufe des Publikums, Umweltsünder zur Verantwortung zu ziehen. Freiheitsbeschneidung mit gleichzeitiger Verantwortungsübernahme – welch ein Irrsinn! Und es steht zu befürchten, daß diese Tendenz sich verfestigt, wie das Lieferkettengesetz zeigt.  „Some restrictions on our freedom are necessary to avoid other, still worse, restrictions. However, we have gone far beyond that point. The urgent need today ist o eliminate restrictions, not add to them“ (Friedman, Milton; Friedman, Rose: Free to Choose – A personal statement. Orlando, Austin, New York, San Diego, Toronto, London, 1990, S. 69).

Zum Inhaltsverzeichnis

 

Schlußbemerkung

Aus mehreren Gründen ist der Verfolg eines Generationengerechtigkeitsgedankens ein Irrweg: Ein identifizierbares Generationeninteresse gibt es nicht; Generationen als identifizierbare Rechtsträger ebenso wenig. Für eine Schadensdefinition und Schadensmessung fehlen die Grundlagen. Die grund-legenden Modellkomponenten der Festlegung von Emissionsbudgets sind extrem willkürbehaftet und ideologiegefährdet. Eine modellmäßige Betrachtung intergenerationellen Austauschs von Klimafolgenschäden muß scheitern. Die in diesen Fragen überforderte Legislative, Executive und Judicative: in Anmassung vereint!

Zum Inhaltsverzeichnis