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Die Spannweite der Betriebswirtschaftslehre

1.1       Anfänge betriebswirtschaftlicher Theoriebildung

Die mit Herzblut getränkten Vorwürfe an eine fehlgeleitete Betriebswirtschaftslehre betreffen heute vorgeblich intolerable Vorstellungen dieser Wissenschaft über die Zielsetzungen der Wirtschaftssubjekte, und man wendet sich mit weiteren über die reine homo-oeconomicus-Kritik an der Neoklassik hinausgehenden Vorwürfen gegen die Betriebswirtschaftslehre. Hier ist mittlerweile ein unterschlächtiges Niveau jenseits aller Satisfaktionsfähigkeit erreicht. Man wünscht den sie Erhebenden nicht das Schicksal der lykischen Bauern, aber zur Strafe mögen sie 100 mal den Satz schreiben: „Quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant“. Dabei ist die Gewissenserforschung innerhalb der Betriebswirtschaftslehre, die im folgenden dargestellt wird, für den, der sie zur Kenntnis nahm, gar nicht verzichtbar. Fein heraus blieb hierbei die Volkswirtschaftslehre, denn sie ist mit der Untersuchung von Entscheiderverhalten aufgrund der Zielfunktion eines Individuums nach ihrem heutigen Erscheinungsbild nicht mehr identifizierbar. Seit der wie die kopernikanische Wende gefeierten von Pareto begründeten Gleichgewichtsanalyse braucht sich die Volkswirtschaftslehre Vorwürfe wegen unchristlicher Zielverschreibungen nicht mehr anzuhören, ganz so, als wiese sie nun den Weg zu fortdauernden Friede-Freude-Eierkuchen-Zuständen. Damit ist dort auch der homo oeconomicus aus dem Zentrum des Interesses gerückt und führt ein Nischendasein nur noch in ideengeschichtlichen Zusammenhängen oder aus didaktischen Gründen. Über den Rest des uninspirierten Pamphfletismus decken wir den Mantel der Barmherzigkeit.

Wegen der Beachtlichkeit einiger Gedanken im betriebswirtschaftlichen Methodenstreit auch für eine ökologische Ökonomie ist die eigenständige betriebswirtschaftliche Methodologie noch ein wenig zu behandeln.

1.1.1        Wirtschaften als Handeln mit Zweckwidmung

Die Eigenleistungen der jungen Wissenschaft zur Klärung ihres Forschungsgegenstands und ihrer Methoden werden von den Kritikern übersehen oder sind ihnen nicht bekannt. In einem frühen Methodenstreit beschäftigte sich die Betriebswirtschaftslehre vornehmlich mit der zu fordernden Rationalität des Wirtschaftens im Hinblick auf verfolgte oder zu verfolgende Ziele mit einer Gründlichkeit, die Manche der Oberflächlichen und Emotionsgeladenen nicht erreichen.

1.1.2        Erforscht zum Gewinn reiner Erkenntnis …

Erst nachdem sich die Nationalökonomie über die Betrachtung von Kreislaufbildern nationaler Volkswirtschaften und der Entlohnung von Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital) hinaus mit den Abläufen des Wirtschaftens handelnder Personen zugewandt hat, zu datieren in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, werden auch die Antriebe für solches Handeln beobachtet, beschrieben und in einer Systematik dargestellt, also noch ganz im Sinne einer reinen Theorie, einer Beschreibung des Seienden. „Auch die Nationalökonomen beschäftigten sich ja seit jeher mit betrieblichen Fragen, so bekanntlich die Klassiker, daneben vor allem Thünen, Jevons, Walras, Pareto und Marshall. Ihr Ziel war ein ganz anderes als das der ‚Handelswissenschaftler‘. Endzweck ihrer Untersuchungen war nicht die Ableitung bestimmter praktischer Maximen und Verfahrensregeln im Interesse einer Beeinflussung dieses praktischen Handelns. Es ging ihnen vielmehr nur darum, die für den Ablauf des gesamtwirtschaftlichen Prozesses so wichtigen einzelwirtschaftlichen Dispositionen kennenzulernen, letztlich also um eine ‚reine‘ Wissenschaft vom Betrieb als Teilbereich der Nationalökonomie. Sie bedienten sich dabei vorwiegend der deduktiven Methode“[1]. „Deduktion“ meint hier die „Ableitung“ des Verhaltens von Individuen aus der Annahme ihrer Rationalitätsbestrebung. Die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre hin zu einer Entscheidungstheorie mit der den ausgeprägten Aspekten der Empfehlung und der Überprüfung zielentsprechender Handlungen wird uns später veranlassen, den Begriff der Deduktion etwas anders zu fassen, denn beobachtete Handlungsweisen auf nur vermutete Zielsetzungen interpretieren zu wollen, lädt ein zu Zirkelformulierungen (s. ausführlicher hierzu).

„Der Betrieb als Teilbereich der Nationalökonomie“ wird verstanden als die wirtschaftliche, rechtliche und organisatorische Einheit, die unter zielgerichteter Zusammenfassung von Arbeitskraft, und kurz- bzw. langlebiger Produktionsfaktoren Güter und Leistungen für einen Markt herstellt. In dieser Aggregation lässt er sich nicht mehr durch die Individualismen der Neoklassik erfassen: An deren Stelle treten finanzielle Kennzahlen als Zielgrößen und Erfolgsmaßstäbe.

Dagegen befürworten Weyermann und Schönitz[2] als Problemzugang zu den einzelwirtschaftlichen Verhaltensweisen (unter gewollter Absetzung von der Neoklassik) eine Privatwirtschaftslehre auf induktiver Basis: Nicht autonom gesetzte Ziele, sondern die Erforschung dessen, was Kaufleute „umtreibt“ sei das Erkenntnisziel. Die gewünschten „sozialökonomischen“ Forschungen sollten letztlich zu einer einzelwirtschaftlichen Theorie der Gemeinwirtschaft führen. Der unwissenschaftliche Teil der Deduktion von Ergebnissen aus Rezepturen sollte als „öde Profitmacherei“ den „Handelswissenschaften“ vorbehalten bleiben, womit solchen „Kunstlehren“ der Wissenschaftscharakter abgesprochen werden sollte. „Die Unwissenschaftlichkeit solcher Bemühungen folge bereits aus dem ‚Fehlen der Allgemeinverbindlichkeit der letzten Werte, denen die Kunstlehren dienen“. „In der Auswahl dieser liege vielmehr ein ‚Werten‘, womit die Vertreter der Kunstlehre nach Ansicht von Weyermann und Schönitz den Boden der allgemeinverbindlichen Wissenschaft verlassen“.[3]

1.1.3        … oder im Sinne höherer Zweckdienlichkeit

Ein wichtiger Vertreter der so Gescholtenen, Eugen Schmalenbach[4], entgegnet mit wissenschaftstheoretischen Argumenten und meint zu weiteren Äußerungen Anderer: „Eine solche Profitlehre (müsse) ein viel weiteres Gebiet umfassen als die Privatwirtschaftslehre, nämlich‚ nicht bloß die Profitmacherei des Kaufmanns, des Fabrikanten und des Landwirts, sondern auch diejenige des Arztes, des Rechtsanwalts, Notars, des kolleggelddurstigen Professors, der rentenhungrigen Witwe usw.“

Die Fragestellung der privatwirtschaftlichen Kunstlehre laute nicht ’wie verdiene ich am meisten, sondern: Wie fabriziere ich diesen Gegenstand mit der größten Ökonomie?“[5].

Es ist eine intellektuell unlautere Position, die Weyermann und Schönitz beziehen, denn ihr Ziel, die Schaffung einer einzelwirtschaftlichen Theorie der Gemeinwirtschaft sozialökonomischer Prägung lässt sie nicht frei Erkenntnis gewinnen über das „was die Kaufleute umtreibt“. Sie können in dieser Verstrickung nichts Anderes als die Sozialwirtschaftlichkeit als Antrieb zutage fördern. Denn der induktive Rückschluss von beobachtetem Verhalten auf die Handlungsmotive führt ohne Kontrollmechanismen in die Selbstimmunisierung der Wissenschaft: Die Ergebnisse ihrer Forschung können nicht anders lauten als die zuvor für diese Forschung erstellten Forderungen.

Nicht zu Unrecht bemerkt Schmalenbach[6], der Wissenschaftsbegriff von Weyermann/Schönitz, die das Opfer einer ziemlich wertlosen Terminologie‘ geworden seien, sei zu eng. ‚Das Geben oder Nichtgeben von Verfahrensregeln kann für den wissenschaftlichen Gehalt eines Faches nichts ausmachen‘ – man braucht bloß die Medizin in den Blick zu nehmen um zu erkennen, wie richtig er damit lag. Es ist deswegen nicht als Manko der angewandten Betriebswirtschaftslehre anzusehen, wenn die deduktive Methode nicht nur angewendet wird, sondern auch als eine ihrer Grundvoraussetzungen angesehen wird. Gerade die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre kann Tautologieschlüsse ohne saubere Deduktion nicht vermeiden. Und wer sich anheischig macht, aus der Überzeugung, dass unter Umweltgesichtspunkten ein anderes Wirtschaften zu fordern ist und dieses auch tatsächlich betreiben zu wollen, kommt nicht umhin, ein deduktiv arbeitender Wissenschaftler in diesem Sinne zu sein (oder zu werden). Nicht alle in diesem Buch vorgestellten gemeinwirtschaftlich, ökologisch oder nachhaltig orientierten Ökonomen beherzigen das.

„Induktion – Deduktion! Wo bleibt die Gewinnmaximierung?“ … denkt sich der BWL-Kritiker. Richtig! Über finanzielle Ziele muss auch noch gesprochen werden. Aber auch für das Verständnis über die im betriebswirtschaftlichen Methodenstreit erörterten Sachziele muss zunächst nach den Theorievarianten „deskriptiv“ und „präskriptiv“ unterschieden werden.

Handlungsmaximen der „Kunstehre“: Wirtschaftlichkeit und Rentabilität – Ausdruck eines entgrenzten Gewinnstrebens?

Bezeichnen wir „Wissenschaft als jede geordnete, durch Ideen und Hypothesen zur Einheit verbundene Vielheit von Erfahrungen und auf Erfahrungen beruhenden Begriffen, Urteilen und Schlüssen“[7] und sehen wir, wie sich die reine und die angewandte Wissenschaft dazu verhalten.

Die reine Wissenschaft strebt nach Erkenntnis des Seienden, seines Wesens, seiner Zusammenhänge oder Gesetze, bei reiner Beschreibung des Bestehenden. Hier wird das Seiende dem Erkenntnisobjekt der Theorie entnommen also der Ökonomie. Die so verstandene Reinheit schließt bezüglich des Gegenstandes Erkenntnisobjekte anderer Wissenschaften aus und begrenzt die Aktivität auf eine Beschreibung. Wir halten die Beschränkung auf die reine Beschreibung auf das Bestehende für zu eng, weil auch die Beschreibung der Veränderungen ggf. mit Erforschung der Ursachen dafür wesentliche Erkenntnisse zeitigen kann; für die Zieldiskussion ist dies insoweit entscheidend, als das Streben der Handelnden in der Ökonomie gerade auf Veränderungen von Beschreibungsgrößen im Zeitablauf gerichtet ist. Von dieser Forschung kann auch die angewandte Theorie profitieren. Dass diese Definition ohne die Walrasianische Bindung an die Mathematik auskommt, ist sehr zu schätzen.

„Unter der Gruppe der praktischen, angewandten oder normativen Wissenschaften verstehen wir solche Disziplinen, die sich nicht auf eine Darstellung des Bestehenden beschränken, deren Aufgaben vielmehr in der Erforschung neuer Mittel, Wege bzw. Ziele in der (gedanklichen Wirklichkeitsformung besteht. Sie formen das Sein, dessen Wesen und Gesetze sie erkennen wollen“[8]. In einem praxisnäheren Sinne formuliert bedeutet dies die Forderung, Veränderungen des Erkenntnisobjektes nicht nur zu beobachten also hinzunehmen, sondern diese im Hinblick auf eine gewünschte Richtung und ein gewünschtes Ausmaß der Veränderung mit Aufzeigen seiner Sinnhaftigkeit in Gang zu setzen und beratend zu begleiten.

Die Ausrichtung der angewandten Wissenschaft auf das Seinsollende verlangt die Festlegung dessen, was so sein soll und eine Handlungsanweisung dazu, es zu erreichen. Das Seinsollende ist jedenfalls dem Erfahrungsbereich der Wissenschaft zu entnehmen und stellt zweckmäßigerweise einen Ausdruck des vom wirtschaftenden Individuum Erstrebten dar, das u. U. ohne Kenntnis der Forschungsergebnisse der reinen Theorie nicht zu erreichen ist. Der Aufgabenbereich der angewandten Betriebswirtschaftslehre erfordert darüber hinaus bestimmte Merkmale des Seinsollenden wie Operabilität, Kommunizierbarkeit, Kontrollierbarkeit usw. Insbesondere das materiell Angestrebte ist nicht Gegenstand der angewandten Wissenschaft, es wird nicht bewertet, und sein Ursprung wird nicht hinterfragt, die angewandte Wissenschaft ist „wertfrei“ in Bezug auf das gesetzte Ziel. Zu bewerten sind jedoch die Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf das gesetzte Ziel; in diesem Akt liegt der gravierende Unterschied zu einer reinen Wissenschaft.

 

1.2       Gemeinwirtschaftlichkeit oder Rentabilität 

Die selbstbewusste Stellungnahme Schmalenbachs im Methodenstreit hätte zur Selbstvergewisserung der Betriebswirtschaftslehre schon ausreichen können, aber die Betriebswirte blieben um ihre Achtung besorgt. Moxter[9] gibt sich defensiver (auch gegenüber seinen vorherigen Ausführungen auf S. 37). In der Frage, von welchem Ziel die präskriptive Theorie auszugehen habe, beginnt er zu schwanken: „Es ergibt sich … die Frage, ob die Betriebswirtschaftslehre, wenn sie Grundsätze bzw. Verfahrensregeln zwecks Erreichung eines im Sinne des Betriebszwecks optimalen Ablaufs des betrieblichen Geschehens herausarbeitet, diesen Betriebszweck unter privatwirtschaftlichem oder gemeinwirtschaftlichem (Hervorhebungen im Original) Aspekt sieht, d. h. ob ihr ‚Auswahlprinzip‘ (die Zielsetzung, d. Verf.) die Rentabilität oder die Gemeinwirtschaftlichkeit (gesamtwirtschaftliche Produktivität; d. Verf:) darstellt, ein Problem, dem … eine erhebliche Bedeutung im Rahmen der Methodenstreitigkeiten zukommt. Eine Betriebswirtschaftslehre, die den Betriebszweck in diesem Zusammenhange privatwirtschaftlich interpretierte, deren Auswahlprinzip also die Rentabilität darstellte, würde damit Grundsätze und Verfahrensregeln im Interesse einer höchstmöglichen Rentabilität der einzelnen Unternehmungen herausarbeiten. Sie könnte mit Recht – ohne hierin unbedingt eine Wertung zu sehen – als eine ‚Profitlehre‘ bezeichnet werden. Nur sehr wenige Betriebswirte haben sich jedoch ausdrücklich zu diesem Ziel bekannt … Die Betriebswirtschaftslehre war und ist jedoch keine solche ‚Profitlehre‘, … Sieber und Hoffmann sind Ausnahmen, deren Meinung nicht als repräsentativ für die ganze Disziplin gelten kann“[10] Hier läßt sich Moxter aus der Position eines Vertreters der präskriptiven Theorie auf eine ungute Zieldiskussion ein und schafft damit mehr Verwirrung als Klarheit. Der verschwurbelte Rückzug auf einen im Sinne des Betriebszwecks optimalen Ablauf des betrieblichen Geschehens hilft in keiner Weise, denn dieser ist als organisatorisch technische Notwendigkeit sowohl im Sinne der Gemeinwirtschaftlichkeit als auch der Privatwirtschaftlichkeit zu optimieren. Wer in dieser Weise wertend und unentschieden über die Ziele der Wirtschaftssubjekte spricht, unterliegt der Gefahr die Ergebnisse seiner beratenden Tätigkeit unter dem Rationalitätsaspekt der Überprüfbarkeit zu entziehen und damit zu immunisieren.

 „Für eine reine Wissenschaft aber stellt sich das Problem ganz anders, … das gleiche gilt natürlich für die (reinen) Grundlagen der angewandten Betriebswirtschaftslehre. In diesen Grundlagen sollen ja keine neuen Verfahrensgrundsätze gegeben, sondern nur die Erscheinungen der Wirklichkeit, d. h. die Zusammenhänge und Abläufe in den Unternehmen beschrieben und erklärt werden, ohne verbessernd, rationalisierend in das betriebliche Geschehen einzugreifen“[11] Für diese „reinen“ Theorien bzw. Theoriebestandteile sieht Moxter die privatwirtschaftliche Rentabilitätsmaximierung als die zutreffende Zielannahme an, sie ergäbe sich „zwangsläufig“; jedoch führt er weiter aus: „Eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Auswahlprinzips besteht für die angewandten oder praktischen Teile unserer Wissenschaft“ (ebenda, S. 62). Warum das so sein müsse erschließt sich nicht: Welchen Sinn sollte es für die angewandte Wissenschaft machen, Wege für das Optimum für eine Zielverwirklichung zu entwickeln und vorzuschlagen, die de facto nach den Forschungsergebnissen der beschreibenden Wissenschaft u. U. überhaupt nicht verfolgt werden? Gerade für eine angewandte Wissenschaft müssen wir uns an die Maxime halten, dass zwischen dem angestrebten Erfolg (die Sachgröße der Zielfunktion) und dem Erfolg, den die einzelnen Handlungsmöglichkeiten versprechen, Gleichnamigkeit herrscht. Wer dieses Prinzip nicht beherzigt, der setzt sich auch in der Energiewende für die erneuerbaren Energien Ausbauziele in elektrischer Leistung, um die wegen stillgelegter Kohlekraftwerke ausfallende elektrische Arbeit zu ersetzen.

Man stelle sich jemanden vor, der von einem Betriebswirt Erkenntnisse zur gewinnmaximalen Lösung anstehender Entscheidungsprobleme erheischt, erhielte Handlungsanweisungen dazu, wie er die gemeinwirtschaftliche Wohlfahrt fördern könne. Er wäre zu Recht von der angewandten Betriebswirtschaftslehre enttäuscht.

„Die entscheidende Frage hinsichtlich des betriebswirtschaftlichen Auswahlprinzips lautet daher …: Unter welchem Gesichtspunkt und zu welchem Ende werden Verfahrensgrundsätze (= Anleitungen zur Bewertung von Handlungsmöglichkeiten und der Entscheidung unter ihnen, d. V.) ausgewählt? Im Interesse der unternehmerischen Rentabilität oder der gemeinwirtschaftlichen Produktivität?“[12]. Die Entscheidung fällt bezüglich der angewandten Betriebswirtschaftslehre, die für unser Thema die gegebene ist, zu Gunsten der Gemeinwirtschaftlichkeit. Warum? Weil „die Mehrheit der Betriebswirte[13] sich dafür entschieden hat zu unterstellen, dass es die Aufgabe der Betriebe sei, sich durch ihr Wirtschaften diesem Ziel und nicht dem privaten Renditestreben zu widmen. Es scheint uns zweifelhaft, dass eine ernst zu nehmende beschreibende Wissenschaft das durch Beobachtung erkannte Streben der Wirtschaftenden als die Förderung des Gemeinwohls ansehen kann und nicht das Gewinnstreben. Eher scheinen sich hartnäckig Reste der normativen Wissenschaft zu halten. Der Gesichtspunkt der Gemeinwirtschaftlichkeit überfordert aber erst recht die angewandte (beratende, präskriptive) Theorie.

Verspricht die präskriptive Theorie tatsächlich, unter einem gemeinwirtschaftlichen  Auswahlprinzip zielentsprechende Methoden zur Verfügung zu stellen, mit welchen die dem Auswahlziel am besten entsprechende Auswahl von Handlungen empfohlen werden kann, dann hat sie mit der gemeinwirtschaftlichen Rentabilität (wie mit anderen Kombinationen von Gemeinwirtschaftlichkeit und einer Sachzielgröße auch) ein unlösbares Problem: Die Ausgangslage ist weiterhin, wohlgemerkt, die Beratung des einzelwirtschaftlich organisierten Betriebs oder Unternehmens. Im Entscheidungsprozess hätte dieser/dieses seine Handlungsmöglichkeiten daraufhin zu überprüfen, ob ein anderer Betrieb die von ihm geplanten Leistungen/Produktemit einem günstigeren Faktoreinsatz erstellen könne. Er müsste dann im Sinne der Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Rentabilität auf diese Handlungsmöglichkeit verzichten und müsste gegebenenfalls den Markt verlassen. Weder sind solche Verhaltensweisen bisher in der reinen Theorie beobachtet worden, noch sind sie von Betriebswirten bisher empfohlen worden. Zu schweigen von der Unmöglichkeit, die für eine solche Empfehlung erforderlichen Kenntnisse zu erwerben. Weil diese Kenntnisse über die konkurrierenden Betriebe nicht zu erlangen sind, wird sich schnell der „wertende“ Betriebswirt unter der Fahne des Gemeinwohls als Schiedsrichter anbieten, eine gesinnungsbasierte Wirtschaft zu propagieren. Moxter[14] sieht die Gefahr, will sie aber auch nicht völlig bannen, denn der Vorwurf der öden Profitmacherei nagt am aufrechten redlichen Wissenschaftler: „Die gemeinwirtschaftliche Betrachtungsweise in der Betriebswirtschaftslehre ist entstanden aus der Erkenntnis dieser zwischen Rentabilität und Gemeinwirtschaftlichkeit bestehenden Divergenzen, aus der Einsicht, dass der Vorwurf der Profitlehre – wählte man die Rentabilität als Auswahlprinzip – im Grunde nicht zu entkräften war“[15]. Wissenschaftlich tragfähig ist diese Position nicht und kann sie auch nicht werden: Weder sind die Bedingungen einer gesamtwirtschaftlichen Rentabilität benannt (ein Gemeinplatz wie der, die Ausübung von Machtpositionen hemme den gemeinwirtschaftlichen Prozess,[16] wiegt dieses Manko nicht auf), noch ist ein geschlossenes System dessen, was die „öde Profitlehre“ ausmacht je beschrieben worden. Moxter nennt einige Bedingungen einer gesamtwirtschaftlichen Rentabilität, die der Wohlfahrtsökonomik nach Pareto ähneln, indessen ist auch für ein Pareto-Optimum klar, dass damit nicht ein Optimum nach gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtskategorien gemeint ist.

Auf „die Mehrheit der Betriebswirte“ kann es nicht ankommen, ebenso wenig auf die Tatsache, dass Hoffmann und Sieber nur zwei Betriebswirte seien. Die Mehrheit der Betriebswirte scheint eher vermeiden zu wollen, als Vertreter einer Profitlehre gelten zu müssen, was offenbar als diskriminiert galt und immer noch gilt. Hier wird argumentiert auf einem Stand der Betriebswirtschaftslehre, der vorwiegend noch vom Denken in Bilanzen geprägt ist, in welchem Bestände und ihre Veränderung den Kalkül bestimmen. Entsprechend ist die Nomenklatur der zitierten Autoren. Das mag die Ausbildung der Ziele Rentabilität und Gemeinwirtschaftlichkeit als gesamtwirtschaftliche Produktivität begünstigt haben; dies scheint aber mehr der Öffentlichkeitswirkung solcher Ziele als ihrer Erkenntnisdienlichkeit geschuldet zu sein, denn beide sind als Quotienten gefasst, die mehrdeutig sind und daher Entscheidungen erschweren[17] Für das der angewandten Betriebswirtschaftslehre zugemessene Ziel der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, dass der Anteil der einzelnen Entscheidung eines Betriebs oder einer Unternehmung hieran gar nicht bestimmt werden kann. Zudem wäre für eine Produktivitätskennziffer festzulegen, welchen Faktoreinsatzes Produktivität zu messen sei (des Kapitals, der Arbeit, eines Rohstoffes?) und zu berücksichtigen, dass ggf. die Steigerung der Arbeitsproduktivität z. B. nicht immer erwünscht ist. Ablesbar wäre dies an der Arbeitsintensität, dem Verhältnis zwischen Kapitaleinsatz und Arbeitseinsatz, ein Quotient, der Erregungspotential für Systemkritiker bereithält. Die Verwender des Peiorativs „öde Profitlehre“ belegen ja eigentlich nur, dass sie Erörterungen über den Sachgegenstand von vornherein aus dem Weg gehen wollen, und nicht alle Betriebswirte reagierten darauf so selbstbewusst wie Eugen Schmalenbach: „Wer sich Verfahrensregeln zum Problem setzt, der arbeitet außer für das übrige sozusagen auf Bestellung, auf jeden Fall für den Markt. Darin liegt ein wichtiges Antriebsmittel. Wer solche Antriebsmittel nicht hat, pflegt mit mehr Ruhe und Beschaulichkeit zu arbeiten, als für die Sache unbedingt notwendig ist; es fehlt ihm auch das stimulierende Bewusstsein der wirtschaftlichen Nützlichkeit. Das an seiner Stelle kultivierte Gefühl besonderer Vornehmheit scheint mir mehr zur Außen- als zur Innenwirkung geeignet zu sein“[18].

Dieser g’schamige Umgang mit der Rentabilität muss überraschen, denn andererseits fand ja der Haushaltungsgrundsatz der schwäbischen Hausfrau, das Wirtschaftlichketitsprinzip, allgemeine Anerkennung. Dieses Prinzip liefert in allen Entscheidungssituationen deckungsgleiche Auswahlergebnisse mit der Rentabilitätskennziffer, in denen die Einsatzmittel tatsächlich für alle Handlungsmöglichkeiten gleich limitiert sind oder auf verschiedenen Wegen ein gleichbleibender Erfolg zu erzielen ist. Insgesamt ist also Moxters methodologischer Ordnungsversuch nur wenig hilfreich für eine wirksame Entgegnung gegen den Vorwurf der öden Profitmacherei: Moxter wird schwankend in der Aufgabenbeschreibung für die deskriptive und die präskriptive Theorie und bleibt einer untauglichen Sachzielgröße verhaftet. Der Schaden bleibt jedoch im Rahmen, denn die Verwandtschaft des Rentabilitätsprinzips zum Wirtschaftlichkeitsprinzip bleibt eng. Und Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip bedeuten auch für ökologische Okonomen, der Verschwendung Tür und Tor zu öffnen, sie wären offensichtlich un-„vernünftig“. Gerade in der Gegnerschaft zu einer (unbepreisten) Verschwendung der öffentlichen, freien Güter Wasser, Luft und sonstiger Umwelt wollen sich die ökologischen Ökonomen von niemandem übertreffen lassen.

Das Schleifen der Gemeinwirtschaftlichkeits-Bastion und das Bekenntnis zum Rentabilitätsstreben - würde es in irgendeiner Weise die Kritik der ökologischen Ökonomen rechtfertigen und die Verwerflichkeit des traditionellen Wirtschaftens bestätigen? Nicht im Mindesten! Wie bereits gesagt, wird mit der Auswahl der Handlungsmöglichkeit mit der höchsten Rentabilität jede Verschwendung vermieden, wenn in der Entscheidungssituation für alle zur Wahl stehenden Handlungsmöglichkeiten die Mittel in gleicher Weise begrenzt sind bzw. zum Erreichen eines bestimmten Ertrages verschiedene Mittel ergriffen werden können. Wer im öffentlichen Interesse Mittel, insbesondere die knappen, zu verwalten hat, kann nicht anders verfahren. Denkt man an die Rentabilität des eingesetzten Kapitals, so wird der Entscheider bei Befolgen dieser Regel und geeigneten Handlungsmöglichkeiten nicht anders können als Gewinn zu erzielen. Dies gilt auch noch, wenn die Voraussetzungen der gleich hohen Mitteleinsätze oder der gleich hohen Ergebnisse fallen gelassen werden, allerdings sind dann die Handlungsmöglichkeiten auch in differenzierterer Weise zu beschreiben. Das Rentabilitätsstreben hat andere Nachteile als seine moralische Verwerflichkeit: Die Rentabilität ist, was Ergebnis und Mitteleinsatz angeht, mehrdeutig und unterschlägt die Zeitkomponente vollständig. Das alleine macht die Rentabilität als Handlungsmaxime untauglich, weil unvollständige oder falsche Beschreibungen der Handlungsmöglichkeiten natürlich Einfluss auf das gewünschte Ergebnis haben. Je nach zeitlicher Zusammenfassung der Strömungsgröße des Zählers ergeben sich andere Rentabilitäten. Nicht das Gewinnziel ist verwerflich, sondern die Ruchlosigkeit im Entwurf der Handlungsmöglichkeiten: Nicht, daß der Waffenhandel unter den Handlungsmöglichkeiten ausgewählt wird, weil er die höchste Rentabilität verspricht, ist zu beanstanden, sondern, dass er überhaupt den Weg in die Auswahl geschafft hat.

Die folgenden Jahre erweisen, dass mit dem Wirtschaftlichkeitsziel die aufkommenden Fachprobleme durch die Hinwendung der Betriebswirtschaftslehre zu einer entscheidungsorientierten Wissenschaft nicht zu lösen sind. Für die veränderten Problemstellungen sind zahlungsstrombasierte, in die Zukunft gerichtete Planungs- und Kontrollkalküle notwendig: Ökonomischer Gewinn, Investitions- und Finanzierungskalküle, insbesondere auch in der Kapitaltheorie. Diese Zahlungsströme sind Ergebnis von Handlungen, deswegen sind die Handlungen unter das Ziel einer gewünschten Entwicklung für diese Zahlungsströme zu stellen. So ist klar, daß Annahmen über Ziele sich mit den Massgrössen der Zielverwirklichung verändern (können). Letztendlich bestätigt auch Moxter die Schwierigkeiten, welche die Betriebswirtschaftslehre sich mit diesem Auswahlprinzip der Gemeinwirtschaftlichkeit hinsichtlich seiner Bestimmtheit und seinem Unterworfensein unter den Zielbildungswillen von Individuen oder Gemeinwesen auflädt[19]. Auch er geht in späteren Veröffentlichungen eher davon aus, dass der Entscheider ein gewinnmaximierender Unternehmer ist, wenn es um die Alternative in einer Investitionsentscheidung geht[20].

Hier hat sich die „öde Profitlehre“ als Urgrund der Gier-Anwürfe gezeigt: anhand einer Wissenschaft, die sich mit den Einzelwirtschaftsplänen und deren Umsetzung von Unternehmen und Haushalten beschäftigt. Wenn diese Kritik ernst genommen werden will, haben ihre Korrekturvorschläge an diesem Modell anzusetzen, um Remedur zu schaffen. Es wäre ein Missverständnis der Aufgabe der Kritiker, ihr durch Übertragung von für notwendig erachteten Veränderungen auf gesamtwirtschaftliche Modellrechnungen oder auf staatliche Administration ausweichen zu können. Da die Summe der Einzelwirtschaftspläne das Gesamtbild einer fluchbeladenen oder einer segensreichen Wirtschaftstätigkeit ergibt, sind diese Keimzellen weiter zu betrachten.

 

[1] Moxter, Adolf: Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre. Köln und Opladen 1957, S. 12.

[2] Vgl. Weyermann, M. R.; Schönitz, H.: Grundlegung und Systematik einer wissenschaftlichen Privatwirtschaftslehre und ihre Pflege an Universitäten und Fach-Hochschulen. Karlsruhe 1922, S. 42 f.

[3] Vgl. Moxter, Adolf: Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 13.

[4] Schmalenbach, Eugen: Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre. In: ZfhF, 6. Jg, 1911/1912, S. 304-316.

[5] Moxter, Adolf: Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 18.

[6] Schmalenbach, Eugen: Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre, a. a. O, S. 307.

[7] Moxter, Adolf, Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 35 f.

[8] Moxter, Adolf, Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 37

[9] Moxter, Adolf: Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 61 f.

[10] Hoffmann, Alexander: Der Gewinn der kaufmännischen Unternehmung. Leipzig 1929; ders.: Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung. Leipzig 1932; Sieber Eugen H. Objekt und Betrachtungsweise der Betriebswirtschaftslehre. Leipzig 1931; ders. Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsmessung. In: die Unternehmung im Markt, Festschrift für Wilhelm Rieger z. 75. Geburtstag, Stuttgart und Köln 1953, S. 170 – 204).

[11] Moxter, Adolf: Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 62, Hervorhebung d. d. Verf..

[12] Moxter, Adolf: Methodologische Grundfragen, a. a. O., S.63.

[13] ebenda, Hervorhebung d. d. V

[14] vgl. Moxter, Adolf, Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 64 – 75.

[15] ebenda, S. 68.

[16] vgl. Hax, Karl: Betriebswirtschaftlicher Erfolg und Wirtschaftlichkeitsmessung. In: Wpg, 1. Jg., 1948 Nr, 1, S. 4 – 9

[17] Spätere Befürworter dieser Kennzahl sind z. B. Pack, Ludwig. Rentabilitätsmaximierung als preispolitisches Ziel. In: Zur Theorie der Unternehmung, Festschrift z. 65. Geburtstag von Erich Gutenberg, hrsg. Von Horst Albach u. a., Wiesbaden 1962, S. 73 – 135, hier S. 91. Koller, Horst. Zur Kritik der Gewinnmaximierung als Unternehmungsziel in der betriebswirtschaftlichen Theorie. In: Koller, Horst; Kicherer, Hans-Peter (Hrsg.), Probleme der Unternehmensführung; Festschrift für Egon Hermann Sieber, München 1970, S. 77 – 91, hier S. 84 – 89. Anderer Auffassung: Hax, Herbert. Rentabilitätsmaximierung als unternehmerische Zielsetzung. In: ZfhF (NF), 15. Jg. (1963), S. 337 – 344, hier S. 340. Kalveram, Thomas. Das Wachstumsziel des Unternehmers, Wiesbaden 977, S. 64 ff.

[18] Schmalenbach, Eugen: Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre, a. a. O., S. 314.

[19] Vgl. Moxter, Adolf, Methodologische Grundfragen, a. a. O., S. 64 – 75.

[20] Ders., Die Bestimmung des Kalkulationszinsfußes bei Investitionsentscheidungen. In: ZfhF [NF], 15. Jg. [1963], S. 285 – 309.

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